Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit - IFGK-Studientag in Heidelberg PDF Drucken

Wie vor einem Jahr ging das Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung (www.ifgk.de) nach Baden-Württemberg: Am 13.3.2010 lud es zusammen mit der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden und Ohne Rüstung Leben zum Studientag in die ESG in Heidelberg ein. Etwa 30 Menschen folgten der Einladung.

 

ifgk-studientag.jpgEingeleitet wurde der Studientag durch einen Plenumsvortrag „Von der Banalität des Guten – Zivilcourage und ziviler Widerstand im Nationalsozialismus und in der Gegenwart“. Werkstatt-Mitarbeiterin Renate Wanie sprach über die Bedeutung und Voraussetzungen für zivi-len Widerstand im Nationalsozialismus. Am Beispiel des Widerstands der dänischen Be-völkerung während der deutschen Besatzung, besonders der Rettung der großen Mehrzahl der dänischen Juden 1943, zeigte Renate Wanie, wie gewaltfreier Widerstand selbst unter extremen Umständen wirksam werden kann. Hier ein Texthinweis aus dem Buch "Gewaltfrei gegen Hitler?": Ein Volk praktiziert zivilen Widerstand. Ausstellung über die Rettungsaktion von 7000 Juden und Jüdinnen in Dänemark, Oktober 1943. Info + Ausleihe: Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden - Büro Heidelberg, Tel. 06221-161978, Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam-Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können Renate Wanie schlug dann den Bogen zu den Beweggründen für Zivilcourage in der Gegenwart: Es geht dabei u. a. um das Wiederherstellen von Menschenwürde und die Orientierung an persönlichen ethischen Wertvorstellungen als Ziele bzw. Voraussetzungen.

 

In Arbeitsgruppen wurden sechs weitere spannende Themen vorgestellt und diskutiert.
Die Ethnolgin Bianca Percic aus Hamburg stellte ihre Magisterarbeit zu traditionellen Insti-tutionen der Konfliktbearbeitung am Horn von Afrika vor. In einem Vergleich zwischen Somalia und Somaliland, das sich 1991 von Somalia abgespalten hat, und seitdem praktisch selbstständig wenngleich international nicht anerkannt ist, zeigte sie, wie es in Somaliland gelang, durch Rückgriff auf traditionelle Formen der Konfliktregelung durch Clan-Älteste den Bürgerkrieg beizulegen. Wohl eher nicht trotz, sondern weil Somaliland praktisch keine Aufmerksamkeit von Seiten internationaler Interventen gefunden hat.

 

Marie Eugenia Lüttmann von der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden stellte ein Buch von Pat Patfoort vor: „Sich verteidigen ohne anzugreifen. Die Macht der Gewaltfreiheit“. Pat Patfoort vertritt dort, dass Menschen in einem Handlungssystem gefangen sind, das dazu geeignet ist, Konflikte eskalieren zu lassen. Sie nennt es das „Mehr-minder-Modell“. In ihrer langjährigen Praxis hat sie ein Gegenmodell der Gleichrangigkeit entwickelt, aus dem gewaltfreie Lösungen erwachsen können. Marie-Eugenia Lüttmann zeigte in ihrer Arbeitsgruppe die Arbeit mit diesem Modell auf anschauliche Weise, indem sie eine Teilnehmerin bat, einen Konflikt aus jüngerer Zeit zu beschreiben; die anderen TeilnehmerInnen analysierten ihn dann anhand der Parameter von Patfoort. Das gewählte Beispiel war nicht ohne Brisanz: Es ging um den Konflikt zwischen dialogbereiten Friedensbewegten und radikalen KritikerInnen der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der letztere eine pro-und-contra-Diskussion verhinderten.
In weiteren Vorträgen referierte Roland Vogt über den gewaltfreien Widerstand gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide,

 

IFGK-Mitabeiterin Gudrun Knittel regte zu einem kreativen und kommunikativen Austausch in einem dialogischen Verfahren in der Friedensbewegung und der Zivilen Konfliktbearbeitung an und Christine Schweitzer stellte ihre in Coventry (England) angefertigte Dissertation „Strategien der Intervention in gewaltsame Konflikte durch zivilgesellschaftliche Akteure. Das Beispiel des ehemaligen Jugoslawien 1990-2002“ vor.  

 

Achim Schmitz präsentierte zusammen mit Jürgen Menzel (act for transformation, Aalen) eine gemeinsam erstellte „FriedensBox“, in der sie didaktisch-methodische Materialien zur zivilen Konfliktbearbeitung zusammengetragen haben. Diese Box wird demnächst über die Regionalen Bildungsstellen des Programms „Bildung trifft Entwicklung“ ausleihbar sein (www.bildung-trifft-entwicklung.de).

 

Wer sich den Termin vormerken möchte: Der nächste Studientag findet am 9. Oktober in Köln statt.
Achim Schmitz / Christine Schweitzer

Foto: Christine Schweitzer