Presseerklärung: Internetzensur in Belarus (01.07.2010) PDF Drucken


Weißrussland errichtet Große Firewall nach chinesischem Vorbild
 
Am heutigen 1. Juli 2010 tritt in Belarus das Dekret des Präsidenten Alexander Lukaschenko zur „Verbesserung des Internets" in Kraft. Mithilfe des Dekrets werden die Internet Provider verpflichtet alle internetfähigen Medien wie Computer, Smartphones etc. und ihre NutzerInnen zu identifizieren und zu registrieren. Ebenso sollen die MitnutzerInnen bei geteilten Geräten und die BesucherInnen von Internetcafes erfasst werden, die zwar bisher schon Name und Adresse, allerdings keine Ausweisidentifikation hinterlassen mussten. Zur Überwachung der Internetzensur, die den User vor „Pornographie und extremistischen Inhalten" schützen soll, wird ein zentrales Analysezentrum eingerichtet, das neben der Vergabe von Domains die Internet Provider auffordern kann, Webseiten innerhalb von 24 Stunden zu schließen.
Besonders problematisch ist, nach einer von der OSCE verbreiteten Einschätzung, die unklare Definition von „extremistischen" bzw. „staatsfeindlichen" Inhalten, die es ermöglicht missliebige Internetinhalte willkürlich zu zensieren. Zudem droht Internetprovidern und WebseitenbesitzerInnen Lizenzentzug und drakonische Strafen, wenn sie „staatsfeindliche" Inhalte veröffentlichen, so dass diese zu einer Selbst-Zensur gezwungen werden. Durch die juristische Gleichstellung des Internets mit der allgemeinen Presse ist zu befürchten, dass kritische SeiteninhaberInnen durch Verleumdungsklagen finanziell ruiniert werden.
Zur technischen Umsetzung der Internetkontrolle kann das belarussische Regime auf Expertise und Software aus China zurückgreifen, dessen große Firewall von Lukaschenko einst als vorbildhaft gepriesen wurde.
Mit dem aktuellen Dekret schafft der seit 1994 herrschende Lukaschenko die organisatorischen Grundlagen zur Umsetzung des bereits Anfang 2008 verabschiedeten Internetgesetzes. Damals war die Umsetzung aufgrund der Annäherung an die Europäische Union gestoppt worden. Der Zeitpunkt des Dekrets wird daher allgemein in Verbindung mit den für Ende des Jahres zu erwartenden Präsidentschaftswahlen gesehen. Offensichtlich will das Regime auch diesmal kein Risiko eingehen und auch noch die letzte öffentliche Sphäre kontrollieren.
 
 
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