Recht auf soziales Leben auch ohne Recht auf Aufenthalt (17.07.2009) PDF Drucken

 

Das Landgericht Bielefeld verwarf am 13 Juli 2009 die Entscheidung des Amtsgerichts Herford vom Dezember 2008, die den Herforder Pfarrer Berthold Keunecke zu einer 2.000 Euro Strafe verurteilt hatte. Berthold Keunecke ist langjähriges Mitglied des BSV und war bis März 2009 Mitglied des BSV Vorstandes.


Die Klage vor dem Amtsgericht Herford wurde damals gegen ihn erhoben, mit der Begründung, dass er drei türkischen Flüchtlingen, deren Asylantrag von der Bundesrepublik abgelehnt wurde, geholfen hatte. Dies wurde als eine Verletzung des Ausländergesetzes betrachtet. Keunecke führte jedoch an, dass er als Christ aus humanitären Gründen getrieben wurde, Leuten im Notfall zu helfen.


Der Pfarrer hatte die Flüchtlinge über das „Netzwerk Kirchen-Asyl" kennengelernt. Die Mutter mit ihren zwei minderjährigen Töchtern war, nachdem Ihr Asyl-Antrag abgelehnt worden war, für ca. ein Jahr untergetaucht. Durch Vermittlung von Pfarrer Keunecke gelang es den Mädchen wieder die Chance zu ermöglichen die Schule zu besuchen. Pfarrer Keunecke gewährte der Familie Obdach und kümmerte sich weiterhin um die beiden Mädchen als die Mutter zurück in die Türkei musste. Der Asylantrag der beiden Mädchen wurde inzwischen genehmigt, die Mutter jedoch darf weiterhin nicht einreisen. Für diese Hilfe wurde er vom Amtsgericht Herford im Dezember 2008 verurteilt.


Keunecke plädierte in seiner Berufung vor dem Landgericht Bielefeld, dass er die Flüchtlinge nicht illegal unterstützt habe, da die Mutter und die Kinder auch ohne seine Hilfe in Deutschland geblieben wären, sondern die Belastung der Familie erleichtert habe. In seiner Argumentation trennte er den gezielten Verstoß gegen die Gesetze klar gegen die Christliche Pflicht den illegalen Einwanderern mindestens das Recht zu fundamentalen sozialen Rechten zu sichern, wie z.B. das Recht auf Bildung. Er betrachtete es als ein Gebot des Gewissens, reine humanitäre Hilfe zu leisten und dadurch die Menschenwürde zu wahren, ohne auf den Unterschied zu achten ob es sich hier um legal oder illegal eingereiste Menschen handelt. Die Menschenwürde ist auch vorbehaltlos im Artikel 1 des GG festgelegt und steht allen Gesetzen im Grundgesetz vor. Deswegen plädierte Keunecke, dass seine Tat nicht strafbar sein sollte, was schließlich auch das Landgericht Bielefeld entschied. Allerdings hat das Gericht weiterhin festgelegt, dass diese Entscheidung nicht bedeuten solle, dass solche Gewissenentscheidungen, die gegen ein Gesetz verstoßen, immer dem Gesetz vorzuziehen seien und deswegen mit einem Freispruch enden würden.


Trotzdem deutet die Zivilcourage des Pfarrers Keunecke auf das Potenzial der Zivilbevölkerung hin, durch humanitäre Aktionen, auch wenn sie gesetzwidrig erscheinen, die Menschenwürde aller zu bewahren und für den Kampf für die Verbreitung und Stärkung der Menschen- und Grundrechte beizutragen.