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SOZIALE

VERTEIDIGUNG

Konflikte gewaltfrei austragen - Militär und Rüstung abschaffen

Rundbrief 2/1999 des BSV Redaktion Peter Betz
Schwarzer Weg 8, 32423 Minden (Herausgeber) V.i.S.d.P. Konrad Tempel
Kostenlos Auflage: 6.500 Druck: ART & IMAGE, Minden
Tel. 0571/29456 Fax 0571/23019 Erscheinungsweise: vierteljährlich
SPK Mi-Lü, BLZ 49050101, Nr. 89420814   Redaktionsschluß für 3/01, August 2001
E-Mail: Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam-Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können Internet:http://www.soziale-verteidigung.de

Der Krieg hat 1988/89 im Kosovo begonnen und er wird dort enden".

Dieser Satz war in der Republik Jugoslawien wie in den anderen postjugoslawischen Staaten in den letzten Jahren oft zu hören gewesen. So ist es gekommen, und es war trotzdem ein Schock.

Niemand hatte sich vorstellen mögen, daß die jugoslawische Regierung die Angriffe der Nato nutzen würde, um von dem schon vorher mit brutaler Härte gegen die Kosovo-albanische Befreiungsarmee geführten Krieg zu einer Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo überzugehen. Und genauso hat sich niemand vorstellen können, daß die westlichen, "unsere" Länder bereit sein würden, das Völkerrecht offen zu brechen und einen Krieg mitten in Europa zu beginnen.

Den Kosovo, wie wir ihn kannten, gibt es nicht mehr. Die Menschen, die sich so viele Jahre lang mit gewaltlosen Methoden gegen die Gleichschaltung durch Serbien zur Wehr setzten, die Frauen- und Jugendgruppen, diejenigen, die sich trotz des Stirnrunzelns ihrer politischen Führung einen Dialog und ein Zusammenleben mit Serben vorstellen konnten, sind alle in der einen oder anderen Form zu Opfern des Krieges geworden. Die meisten von ihnen sind auf der Flucht im Kosovo, in Flüchtlingslagern irgendwo in Makedonien oder Albanien, oder halten sich voller Furcht vor marodierenden Soldaten in ihren Häusern versteckt. Mindestens einer der Studentenführer, mit denen das Balkan Peace Team engen Kontakt hatte, wurde von der serbischen Polizei festgenommen; über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Und die andere Seite, die Nato-Angriffe.

Wir verurteilen die Nato-Angriffe - nicht, wie Vertreter der Kosovaren der Friedensbewegung vorwerfen, aus einem "Anti-Nato-Reflex" heraus, sondern weil sie in unseren Augen der Belgrader Führung erst ermöglicht haben, die systematischen Vertreibungen zu beginnen, weil sie selbst humanitäre und ökologische Katastrophen zur Folge haben und wieder mit der Zivilbevölkerung diejenigen am meisten treffen, die für die Situation am wenigsten verantwortlich sind..

"In the sky, Nato; on the ground, Milosevic"

Dieser Satz wird nach Berichten von AktivistInnen aus Serbien, die mit ihren FreundInnen im Kosovo Telefonkontakt halten, als Essenz der Lage derjenigen zitiert, die noch im Kosovo verblieben sind.

Das gleiche gilt für die Angehörigen der demokratischen Opposition in Serbien, Montenegro, der Vojvodina, des Sandjak usw. Die Männer im wehrpflichtigen Alter sind außer Landes gegangen oder halten sich verborgen. Einigen, denen dies nicht gelungen ist, sind jetzt als Angehörige der jugoslawischen Armee "legitime Ziele" der Nato-Bombenangriffe.

Die Frauen sind größtenteils geblieben, doch viel tun können sie abgesehen von der Verfassung von Appellen nicht. Es gibt einige Statements, die von 16 oppositionellen Gruppen gemeinsam verfaßt wurden und die alle das Ende der Nato-Angriffe fordern. Alle unabhängigen Medien wurden verboten, jetzt wird sogar ein Verbot des Internets in Jugoslawien diskutiert. Es ist bekannt, daß Menschen, die Kontakte zu Ausländern unterhielten (z.B. jemand bei sich wohnen ließen), von der Polizei verhaftet wurden. Die prominentesten VertreterInnen der Opposition wurden bislang noch in Ruhe gelassen (bis auf einen bekannten Journalisten, der einem Mordanschlag zum Opfer fiel), aber auch um ihre Sicherheit muß nicht nur wegen der Gefahr durch die Bombenangriffe der Nato gefürchtet werden.

Die Nato-Angriffe waren nicht das "letzte Mittel"

Das Vorgehen der Nato wird u.a. damit gerechtfertigt, daß man "alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft" habe. Diese Rechtfertigung muß auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen kritisiert werden:

Erstens geht es der Nato gar nicht vorrangig um den Schutz von Menschenrechten, denn sie bricht mit ihrem Angriff ja selbst das internationale Recht, und sie hat in Vergangenheit und Gegenwart in vielen anderen Kriegen und Konflikten nicht gehandelt (Ruanda, Kurdistan als zwei Beispiele). Tatsächlich dürfte zu den Hauptgründen, warum in diesen Krieg interveniert wurde, die Sorge der Europäer vor neuen Flüchtlingsströmen und das Interesse der Nato gehören, einen Präzedenzfall für ihre neue Doktrin zu schaffen, gehören. Auch ein latent schwelender Konflikt zwischen den USA und Westeuropa über die weltpolitische Führungsrolle dürfte eine Rolle spielen.

Und zweitens hätte es viele Möglichkeiten gegeben, den Konflikt in Jugoslawien mit gewaltlosen Mitteln zu bearbeiten. Die sog. "Vermittlungsversuche" der Balkan-Kontaktgruppe waren aus dem Blickwinkel der zivilen Konfliktbearbeitung völlig ungenügend, da es sich aus Sicht der Konfliktparteien nicht um unparteiische Vermittler handelte, weil sie ihre Eigeninteressen (Stationierung von Nato-Truppen) über die Findung einer Konsenslösung stellten und weil es zu viel um den zukünftigen Status des Kosovo und zu wenig um einen friedlichen Prozeß ging.

Der BSV mischt sich ein

Wir haben bestimmte Eckpunkte für unsere Argumentation entwickelt und versucht, diese durch verschiedene Aktivitäten mit Leben zu erfüllen.

1. Wir sind entsetzt über den Krieg und die Vertreibungen im Kosovo, für die wir in erster Linie das serbisch/jugoslawische Regime verantwortlich machen. Wir rufen aber auch die UCK (Kosovo-Befreiungsarmee) auf, sich einer Friedenslösung nicht zu verweigern und nicht durch eigenes Handeln und in Hoffnung z.B. auf den Einsatz von Nato-Bodentruppen den Konflikt zu verschärfen.

Unsere Hauptsorge gilt dem Schicksal der Vertriebenen. Der BSV hat Mitte April einen Aufruf "Hilfe für die Vertriebenen im Kosovo JETZT!" verfaßt, in dem wir uns an alle drei Kriegsseiten wenden und an sie appellieren, den Menschen, die sich als Vertriebene innerhalb des Kosovo in den Wäldern aufhalten, sofortige humanitäre Hilfe zu leisten. Besondere Hoffnung hatten wir dabei darauf gerichtet, daß die Nato, wie sie es in Bosnien getan hat, Lebensmittel und Medikamente aus Flugzeugen abwerfen würde.

Zu den Reaktionen auf dieses Schreiben zählte eine Antwort vom Bundesbeauftragten der Bundesrepublik in Bosnien-Herzegowina, Bürgermeister a.D. Hans Koschnick, der uns für den Aufruf "herzlich" dankte und ihn als "überzeugend" bezeichnete. Staatsminister Dr. Ludger Vollmer vom Auswärtigen Amt antwortete allerdings, daß die Nato diese Möglichkeit geprüft und als "zur Zeit nicht machbar" eingeschätzt habe, weil dadurch die Nato-Piloten gefährdet würden. In unseren Augen ein Armutszeugnis, einen Krieg zu beginnen und dann unter Hinweis auf Gefahr für die eigenen Leute humanitäre Hilfe zu verweigern.

Unserer Sorge um das Schicksal der demokratischen Opposition in Jugoslawien haben wir u.a. Ausdruck mit einem Beratungstreffen verliehen, das wir mit der Arbeitsgruppe "Kosovo" in der Plattform für Zivile Konfliktbearbeitung organisiert haben. Dort wurden verschiedene Initiativen vorgestellt und Möglichkeiten überlegt, wie den Gruppen und AktivistInnen in Jugoslawien angesichts der jetztigen Situation am besten geholfen werden kann.

2. Wir argumentieren, daß es viele Möglichkeiten der zivilen Konfliktbearbeitung gegeben hätte und haben dazu mehrfach Informationsmaterial erstellt und vielen Interessierten hier im Lande zur Verfügung gestellt. An diesem Thema werden wir auch weiter arbeiten, denn nach dem Kriege wird es weiter darum gehen, wie ein friedliches Miteinander wieder hergestellt, Wiederaufbau ermöglicht und neue Konfliktherde entschärft werden können.

Die jetzt viel beschworene Verantwortung Europas für den Wiederaufbau des Balkans wird sich noch erweisen müssen. Vermutlich wird es unsere Aufgabe sein, die europäischen Staaten an diese Verantwortung beständig zu erinnern, wenn die internationale Aufmerksamkeit sich schon wieder der nächsten und übernächsten Krise zuwenden wird.

Unser wichtigsten Projekt in diesem Zusammenhang ist das Balkan Peace Team, das seit 1994 in Serbien und Kosovo gearbeitet und dort vorrangig bei der Anknüpfung von Dialog und Begegnungen zwischen serbischen und albanischen Gruppen behilflich war. Das Team mußte mit Beginn der Bombardierungen das Land verlassen.

Jetzt wird geprüft, welche Arbeitsmöglichkeiten und Perspektiven es für zivile Konfliktbearbeitung in den umliegenden Ländern, wohin die meisten Flüchtlinge gegangen sind, gibt: Makedonien, Albanien und Ungarn.

3. Wir protestieren gegen die Nato-Angriffe und fordern deren sofortige Einstellung.

Hierzu haben wir u.a. zusammen mit der Graswurzelwerkstatt Köln einen Appell zur Waffenruhe am 1. Mai herausgegeben, der über ganz Deutschland verbreitet wurde. Zusammen mit vielen anderen Friedensorganisationen hat der BSV zur Großdemonstration in Berlin am 8. Mai aufgerufen, an der ca. 10.000 DemonstrantInnen teilnahmen.

Dabei beobachten wir mit Freude, daß der Protest gegen den Nato-Krieg zunimmt. Es darf nicht angehen, daß Krieg wieder als normales Mittel der Politik eingesetzt wird. Letztlich bedeutet die neue Nato-Doktrin, daß sich die Mächtigen in der Welt selbst die Erlaubnis erteilen, nach eigenem Ermessen Krieg zu führen, wann und wo sie wollen. Um dies zu verhindern und zu einer internationalen Politik zu finden, die auf den Grundsteinen der zivilen Konfliktbearbeitung, des Gewaltverzichts und Gerechtigkeit beruht, brauchen wir eine langfristige Strategie. Sie zu entwickeln, wird Aufgabe der nächsten Zeit, vielleicht der nächsten Jahre sein.

Wir müssen umdenken

Was sich Anfang der 90er Jahre mit dem Golfkrieg abzeichnete, ist jetzt mit der neuen Nato-Doktrin und dem ersten Krieg der "Neuen Nato" zu einer Realität geworden, die unsere Arbeit auf Jahre hinaus bestimmen wird. Wir werden eine Gegenvision zu der angestrebten Hegemonie der Reichen und Mächtigen, die ihre Privilegien und Hinterhöfe absichern, entwickeln müssen. Dieser Krieg hat viele Menschen wachgerüttelt, die jetzt nach fundierten Informationen fragen, sich kundig machen und sich selbst eine Meinung bilden wollen. Zusammen mit anderen Organisationen der Friedensbewegung werden wir dafür stehen, durch Informationsverbreitung kritisches Bewußtsein und neue Handlungsalternativen zu verbreiten.


Daß wir damit nicht alleine stehen, beweisen die Anfragen nach Informationen und Veranstaltungen, die uns täglich erreichen und denen wir nach Kräften nachkommen. Sie sind das Fundament und die Hoffnung unserer Arbeit.

Christine Schweitzer


Die Kosovo-Falle

Otfried Nassauer

Es scheint, als bombe die Nato den serbischen Staat zurück in die Steinzeit. Doch Slobodan Milosevic zeigt sich immer wieder ungerührt, lehnt politisches Einlenken ab und vergrößert das Leid und Elend der Menschen aus dem Kosovo. Kann es sein, daß die Nato ihre politischen Ziele mit militärischen Mitteln verfehlt, daß Goliath politisch von Davids Schleuder getroffen wird, weil Goliath die falsche Strategie verfolgt? Allied Force als Allied Farce?

Der Konflikt um den Kosovo dient Militärs und Politikern der Nato seit langem als Musterbeispiel für die künftigen Aufgaben und die künftige Strategie des Bündnisses. Diese ist nun seit dem Washingtoner Gipfel verabschiedet. Der Krieg auf dem Balkan diente aber auch als Beleg dafür, daß die Allianz gegebenenfalls ohne Mandat der Vereinten Nationen zum militärischen Eingreifen bereit sein muß. Nunmehr ist dies offizieller Bestandteil der Nato -Strategie. "Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen trägt die primäre Verantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und leistet in dieser Eigenschaft einen entscheidenden Beitrag zu Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum", sagt das neue strategische Konzept. Die "primäre" Verantwortung läßt eine letzte Verantwortung der Nato zu; "ein entscheidender Beitrag" ist nicht "der" entscheidende Beitrag. Die Nato hat sich die Option gesichert, Vorrang vor den Vereinten Nationen zu reklamieren, auch wenn sie im Regelfall bereit sein sollte, Krisenmanagement "unter der Autorität des UN-Sicherheitsrates oder der Verantwortung der OSZE" zu praktizieren. Die Nato zeigt sich bereit, für die Menschenrechte und gegen Völkermord zu kämpfen.

Deshalb reklamiert sie das Recht, auch außerhalb des Nato-Gebietes zu intervenieren. Nicht als Weltpolizist, wie viele meinten, sondern vorrangig im "euro-atlantischen Raum", jenem Gebiet, das den Sicherheitsraum aller 44 Staaten der Partnerschaft für den Frieden umfaßt. Aber auch ein militärisches Agieren darüber hinaus wird aber nicht ausgeschlossen. Bedrohungen, z.B. durch Massenvernichtungswaffen in den Händen von Staaten im Mittleren Osten, in Nordafrika oder gar im Besitz nichtstaatlicher Akteure lassen – so die Allianz - eine fixe Begrenzung des Aktionsradius nicht zu. Ein Mandat der internationalen Staatengemeinschaft - so das Argument - sei hier kaum denkbar und liege außerhalb jener völkerrechtlichen Überlegungen, die beim Aufbau des heutigen Systems internationalen Rechtes zugrundegelegt worden seien.

Das neue strategische Konzept der Nato erweist sich allerdings schon bei der Generalprobe im Kosovo als gefährlich und tückisch. Das Orchester spielte nicht aus derselben Partitur. Und es ist auch kein Ausdruck der Harmonie, daß die Musiker nach fünfwöchigen Proben noch nicht schreiend auseinandergelaufen sind. Ganz offensichtlich stimmt beim Vorgehen der Nato etwas nicht: Politische Ziele und der politische Wille zum Einsatz militärischer Mittel stehen nicht im Einklang. Die Nato hat politische Forderungen aufgestellt und eine militärische Drohung ausgesprochen, mit der sie ihre Forderungen nicht gesichert erzwingen kann. Beide Seiten folgten deshalb einer Eskalationslogik, die alle politisch-diplomatischen Lösungen bislang vereitelt hat, da sie Sieg und Niederlage zuweist und für den Verlierer der Gesichtsverlust droht. Der Ausbruch aus dieser Logik ist bislang nicht gelungen. Würde er in letzter Minute und unter russischer Vermittlung doch noch gefunden - am Zustandsbefund für Nato und am Urteil über das neue Strategische Konzept würde dies nichts ändern.

Strategie Diskussion

Eine ernsthafte Strategie-Diskussion in der Nato - unter Einschluß der Interessensdivergenzen zwischen den Nato-Mitgliedern - wird erst nach dem Ende der Militäroperation im ehemaligen Jugoslawien erfolgen. Im Grundatz machen das auch bereits einige andere Beschlüsse der Nato vor und während des Gipfels deutlich: * Der neuen Nato-Strategie und dem Kommuniqué des Washingtoner Gipfels liegen zwei sehr unterschiedliche Konzepte für die Stärkung des europäischen Beitrags zur militärischen Sicherheit und Stabilität zugrunde. Die Strategie reflektiert die Entwicklung der letzten Jahre - europäisches Handeln im Rahmen der WEU unter Billigung und Mithilfe der Nato. Das Kommuniqué reflektiert dagegen die Entwicklung der letzten Monate: Europa handelt militärisch als Europäische Union mit oder ohne die Billigung und Mithilfe der Nato; die WEU wird eng an die EU angebunden und ihre militärsichen Fähigkeiten werden in diese überführt. Bis zum Jahr 2000, so die Vorstellung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, soll die EU erste eigene militärische Handlungsfähigkeit gewinnen. Diese soll zunächst auf das Krisenmanagement, z.B. bei einer künftigen Frie-denstruppe im Kosovo beschränkt bleiben. Die Aufgabe der kollektiven Verteidigung verbleibt bei der Nato. Bereits beim EU-Gipfel in Köln Anfang Juni sollen erste Pflöcke eingeschlagen werden, die dann anläßlich der nächsten Sitzung des Nato-Rates im Juni für die Weiterentwicklung der Allianz Berücksichtigung finden können.

Bis zu den Herbsttagungen der Nato soll die Nuklearpolitik der Nato einer Überprüfung unterzogen werden. Manche Nato-Staaten, so vor allem die Nuklearmächte, betonen, dabei gehe es vorrangig um die rüstungskontrollpolitischen Aspekte; andere - so die Bundesrepublik und Kanada sehen die gesamte Nuklearstrategie auf dem Prüfstand; das Ergebnis hat in beiden Fällen Auswirkungen auf das strategische Konzept des Bündnisses.

Mit territorialen Sicherheitsgarantien für die Nachbarn des ehemaligen Jugoslawiens für die Zeit des Krieges ist die Nato vorgeprescht. Sie wird von diesen Zusagen kaum zurücktreten können und hat damit den künftigen Nato-Beitritt dieser Staaten und eine deutlich veränderte Aufgabenstellung für die Nato präjudiziert. In der neuen Nato-Strategie ist dies in keiner Weise vorbedacht;

Schließlich das Verhältnis zu Rußland: Die neue Nato-Strategie schreibt das Nato-Rußland-Verhältnis aus der Zeit vor dem Kosovo-Krieg fort. Dies ist realitätsfremd. Erfolg oder Mißerfolg der russischen Vermittlung sowie der Ausgang des Krieges haben unmittelbaren und gravierenden Einfluß auf die Beziehungen zwischen Nato und Rußland. Kooperation oder erneute Konfrontation - so lautet die Alternative und es kann keinesfalls als gesichert gelten, daß Rußland nach Ende des Krieges zum "business as usual" zurückkehrt. Die Frage lautet weiterhin, ob Sicherheit in Europa mit oder gegen Rußland geschaffen werden soll. Die Beschlüsse des Washingtoner Nato-Gipfels, insbesondere das neue Strategische Konzept der Nato sind vergangenheitsorientiert. Sie vollziehen die Allianzdiskussion der Jahre 1991 bis 1998 nach.

Sie stellen damit keine Vision für das 21. Jahrhundert dar. Das geplante Sig-nal von Washington - die Nato ist fit für das 21. Jahrhundert – ist ausgefallen. Die Allianz hofft, mit ihrem neuen Strategischen Konzept eine Grundlage dafür gelegt zu haben, daß das Bündnis auf mittlere Sicht, also für einen Zeitraum von 10-15 Jahren, als Fundament und Kern der künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur festgeschrieben wird. Doch ein Scheitern droht. Das in Washington verabschiedete Konzept hat in Kernbereichen eine politische Halbwertzeit, die eher in Monaten, denn in Jahren bemessen werden kann. Dies gilt unabhängig davon, wann eine erneute Überprüfung der Nato-Strategie offiziell in Auftrag gegeben wird. Auch das Strategische Konzept von Rom wurde von der Wirklichkeit - der Auflösung der Sowjetunion - bereits wenige Wochen nach seiner Verabschiedung in einem sehr wesentlichen Punkt überholt - und doch galt es weiter - bis vor wenigen Tagen.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)


Bewegte Zeiten

Mit dem Angriff der Nato auf Jugoslawien änderte sich die politische Situation in dem Land drastisch. Nicht nur im Kosovo, sondern auch in Serbien sind die lokalen Nichtregierungsorganisationen fast arbeitsunfähig gemacht. Der Druck der jugoslawischen Regierung (z.B. Schließung aller unabhängigen Medien), Angst vor Repression und der Kriegszustand mit täglichen Bombenangriffen bestimmen den Alltag der Aktivistinnen und Aktivisten, mit denen das Balkan Peace Team über Jahre zusammengearbeitet hatte.

Und was die Gruppen im Kosovo angeht, mit denen das BPT in Kontakt stand, so haben sich zwei oder drei von ihnen im Exil in Makedonien re-organisiert (z.B. ein Zentrum, das Hilfe für traumatisierte Frauen und Kinder leistet), aber von der Mehrzahl der Freundinnen und Freunde, die die Freiwilligen des BPT im Kosovo gewonnen hatten, wissen wir zumindest derzeit nichts über ihren Verbleib.

Wie geht es mit dem BPT in Jugos-lawien weiter?

Mit dem Beginn der Bombardierungen entschied sich das dreiköpfige Freiwilligenteam, das die ganze Zeit zuvor in Serbien und Kosovo ausgeharrt hatte, das Land zu verlassen. Eine Rückkehr ist derzeit nicht möglich – Ausländer-Innen sind in Jugoslawien derzeit unerwünscht; selbst JournalistInnen können bekanntlich nur unter vielen Auflagen noch arbeiten.

Wichtige Termine des BPT:

28.-.30. 5. 1999: "Open CC" (Koordinierungskomitee-Treffen) in Paris

6.-10. 9. 1999 Assessment für BewerberInnen in Amersfoort / Niederlande

10.-12. 9. 1999 Koordinierungskomitee-Treffen in Amersfoort

19.-21. 11. 1999 Mitgliederversammlung. Ort offen

Zunächst unternahmen die drei Freiwilligen, Lyn Back, Alan Jones und Erik Torch, eine zweiwöchige Veranstaltungsrundreise durch Deutschland, die Niederlande und Großbritannien. Auf den Veranstaltungen berichteten sie über ihre Arbeit in Jugoslawien, über die dortigen Friedens- und Menschenrechtsgruppen und über die Folgen, die der Krieg für sie hat.

Jetzt (Anfang Mai) sind sie wieder in die Region aufgebrochen, um in Makedonien, Albanien und Ungarn Möglichkeiten der Weiterarbeit zu erkunden. Sie werden dort vor allem jene AktivistInnen aufsuchen, die ihre Heimat verlassen mußten und ihre Arbeit im Exil fortsetzen.

Das Ziel dieser Begegnungen wird sein, Möglichkeiten für zukünftigen Dialog und Kooperation zwischen Serben und Albanern zu erkunden und zu fragen, welche Rolle Freiwillige des Balkan Peace Teams dabei spielen können.

Nach diesem ersten Besuch, der knapp drei Wochen dauern soll, wird das Team dem Koordinierungskomitee des BPT berichten, das sich Ende Mai in Paris trifft. Auf den Ergebnissen der Erkundungsfahrt und den Diskussionen in Paris aufbauend soll dann die weitere Strategie des BPT in Jugoslawien entschieden werden. Sie wird natürlich auch ganz wesentlich davon abhängen, wann der Krieg zu Ende geht und wie ein Waffenstillstand politisch gestaltet werden wird. Eines ist für das BPT aber schon jetzt klar: Wir werden in unseren Bemühungen, die dortigen Gruppen bei ihren Anstrengungen für Frieden und Versöhnung zu unterstützen, nicht nachlassen.

Flüchtlinge in Kroatien und Serbien

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist heute fast ausschließlich auf den Kosovo gerichtet. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, daß in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina mehrere Hundertausende Flüchtlinge und Vertriebene ausharren, denen eine Rückkehr in ihre Heimat weiterhin verwehrt ist. Zur Erinnerung: Als Kroatien 1995 die Krajina zurückeroberte - den Teil Kroatiens, der von 1992 und 1995 unter serbischer Kontrolle stand - flohen rund 300.000 Menschen vor den kroatischen Truppen nach Jugoslawien und in die Serbische Republik in Bosnien. (Diese Vertreibung geschah im übrigen weitgehend mit Billigung der westlichen Allianz.) Obwohl Kroatien einer Rücksiedlung dieser Menschen offiziell zugestimmt hat, ist die Zahl der tatsächlichen Rückkehrer verschwindend gering. Sie haben mit allen möglichen rechtlichen Problemen zu kämpfen; viele ihrer Häuser sind von bosnischen Kroaten bewohnt, die während des Krieges aus Bosnien geflohen waren oder sind zerstört. Wer heute durch die Krajina fährt, wird fast genauso viele Ruinen finden wie 1995, Ruinen, die immer weiter verfallen.

Zusammen mit Pax Christi hat das Balkan Peace Team in dieser Situation lokale Nichtregierungsorganisationen in der serbischen Republik (Banja Luka) bei der Durchführung eines Treffens mit NROs aus Kroatien unterstützt. Bei diesem Treffen Ende März ging es um die Frage der Rückkehr kroatisch-serbischer Flüchtlinge nach Kroatien. In Banja Luka waren viele Menschen überrascht, bei einer öffentlichen Veranstaltung, die diese Gruppen zusammen mit dem BPT und Pax Christi durchführten, zu erfahren, daß es tatsächlich rechtliche Möglichkeiten für eine Rückkehr gibt. Jetzt wird ein Gegenbesuch bosnisch-serbischer NRO-VertreterInnen in Split oder Knin überlegt.

Internationales Büro: Schwarzer Weg 8, 32423 Minden, Tel 0571/20776, Fax 0571/23019, e-mail: Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam-Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können


Soziale Gerechtigkeit statt "Innere Sicherheit"

-Alternativen zur Aufrüstung der Gesellschaft -

Tagung in Bonn, Haus Venusberg, vom 1.-3.10.1999,
gemeinsam getragen von
VERSÖHNUNGSBUND e.V. und Bund für Soziale Verteidigung

Die Tagung verfolgt vier miteinander verbundene Ziele:

1. Aufklären

2. Gegenöffentlichkeit schaffen

3. über alternative Konzepte informieren

4. Vernetzen

Sie richtet sich an MitarbeiterInnen und AktivistInnen von Bürgerrechtsinitiativen, von Friedens-, Flüchtlings- und Eine-Welt-Gruppen und an all diejenigen, die an dem Thema "Soziale Gerechtigkeit schaffen statt 'Innerer Sicherheit' interessiert sind.

Die beiden Einleitungsvorträge und die Arbeitsgruppen am Samstag sollen das Thema zunächst allgemein, dann auf bestimmte Aspekte bezogen umreißen, Informationen geben und zum Austausch über Projekte und Aktivitäten zu den jeweiligen Gebieten einladen.

Auf der Basis der am Samstag erarbeiteten Ergebnisse, sollen dann am Sonntag Arbeitsgruppen zu bestimmten Aktivitäten und Projekten gebildet werden. Welche dies sein werden, entscheidet sich nach dem Interesse und den Vorschlägen der TeilnehmerInnen.

Es geht uns dabei darum, die Tagung nicht als "Eintagsfliege" stehen zu lassen, sondern als einen Ort für Vernetzung und zur Verabredung von weitergehenden Projekten zu begreifen. Sie soll ein Baustein zur Veränderung von Politik sein.

Freitag-Abend 1.10.99

 

18:00 Uhr - Anreise, Abendessen19:30 Uhr - Begrüßung

20:00 Uhr - Eröffnungsvortrag: (Philosophische) Betrachtungen zu Sicherheit und Freiheit, Prof. Dr. Ekkehart Krippendorf/Berlin

22.00 Uhr - Ende

Sonnabend 2.10.99

 

9.00 Uhr - Vortrag: Rechtspolitische Entwicklung der letzten Jahre und was kommt noch auf uns zu? RA Dr. Rolf Gössner /Bremen

10.30 Uhr - Kaffeepause

11.00 Uhr - Arbeitsgruppen

1. Nachbarschaftskonzepte, Stadtteil und Mediation: Wolfgang C. Goede / München, Detlef Beck / Minden, BSV

2. Zivilcourage und Empowerment

Gudrun Knittel / Köln, Patchwork / Oldenburg

3. Männergewalt, Frauengewalt und die Stadt, Elke Schmidt-Sawatzki / Minden und Co-Referentin

4. Das Präventionskonzept der Polizei, Detlef Nollenburg / Düsseldorf (Innenministerium NRW), Henry Stahl

5. Ausgrenzung aus den Städten: Alternative Drogenpolitik und Obdachlosigkeit: Inge Manser / Zürich, Rosi Herting / Köln (Zentrum "Oase")

6. Staatliche Kriminalitätspolitik und Ausländer: Ali Fathi / Berlin (SOS Rassismus), RA Wolfgang Jung / Kiel (Republikanischer Anwaltsverein)

7. Jugendgewalt und soziale Ursachen von Straffälligkeit: Klaus Jünschke / Köln (Kölner Appell), Robin Kendon / Frankfurt/Oder

8. Verfassungsschutz: Wie schützt sich der Staat vor wem und vor was? Roland Appel, MdL NRW, Thilo Weichert / Kiel (Dt. Vereinigung für Datenschutz)

9. Die Rolle der Medien: N.N.

10. Strafrechtliche Gewalt überwinden, Martin Singe / Bonn (Komitee für Grundrechte und Demokratie)

12.30 Uhr - Mittagspause

14.30 Uhr - Kaffee15.00 Uhr - Fortsetzung der Arbeitsgruppen, Schwerpunkt: Aktivitäten

18.00 Uhr - Abendessen

19.30 Uhr - Berichte aus den Arbeitsgruppen,

22.00 Uhr – Ende

Sonntag 3.10.99

09.00 Uhr - Zusammenfassung der Tagungsergebnisse

10.00 Uhr - Arbeitsgruppen zu Aktivitäten

12.00 Uhr Schlußplenum, Verabredungen zu nachfolgenden Aktivitäten

13.00 Uhr Schluß der Tagung